Wie Google Blogs tötet und wieso das für dich relevant ist! (2025)

Mit den immer besser werdenen KI-Sprachmodellen stehen Suchmaschinen vor grossen Herausfoderungen. Die Art, wie Google und Co. damit umgehen, könnte jedoch das Ende von Blogs bedeuten und die Meinungsvielfalt im Netz massiv gefährden. Zeit, sich darüber Gedanken zu machen.

Hast du heute schon einmal gegoogelt? Und wenn ja: Hast du dabei auch die Informationen gefunden, die du gesucht hast? Die Wahrscheinlichkeit, dass du zumindest auf die zweite Frage mit einem „nein“ antwortest, ist zuletzt stark angestiegen.

Was ist geschehen? Google hat vor bald einem Jahr das sogenannte Helpful Content Update ausgefahren und vor ein paar Wochen mit einem Anti-Spam-Filter nachgelegt. Das vorgebliche Ziel war, wertlosen KI-Müll auszufiltern, damit die Suchergebnisse wieder besser werden. Dazu sollten Inhalte abgestraft werden, die „nicht für Menschen, sondern für Suchmaschinen“ geschrieben wurden.

Was auf dem Papier nach einer klugen Strategie aussieht, scheint alles andere als gut zu funktionieren. Suche ich beispielsweise nach Informationen zu einer beliebigen Destination, erhalte ich vorwiegend kommerzielle Seiten ausgespielt. Häufig sind das Reisebüros oder Buchungsseiten mit schnell dahingerotzten Inhalten, die einzig und allein zur Suchmaschinen-Manipulation veröffentlicht wurden.

Liebevoll zusammengestellte Reiseblogs und Nischenseiten hingegen, die in der Regel auf authentischen Erfahrungen beruhen und dabei häufig auch einzigartige Details behandeln, verschwinden immer weiter hinten hinten in den Ergebnissen. Was ich so von meinen Blogger-Kollegen mitbekomme, scheint es keinen Unterschied zu machen, ob es sich um reine Liebhaberprojekte handelt oder ob es Inhalte sind, die mit dezenter Werbung zum Lebensunterhalt des Autors beitragen.

Kurz: Die Qualität der Suchergebnisse hat sich innerhalb kurzer Zeit massiv verschlechtert und das könnte erst der Anfang sein. Die Antwort, woran das liegt, ist ziemlich komplex.

Krieg gegen Publisher oder Unfähigkeit?

Hört man sich in der Blogosphäre um, vernimmt man hin und wieder den Verdacht, dass die Abwertung von unabhängigen Publishern eine bewusste Reaktion von Google sei, um die Meinungsfreiheit einzuschränken – zeigte sich doch gerade während der Corona-Pandemie die Zweischneidigkeit von Meinungsvielfalt.

Selbst wenn das eine Rolle gespielt hat, dürfte es bestenfalls ein Teil des Problems sein. Vom Sichtbarkeitsverlust sind zwar in unterschiedlichem Ausmass so gut wie alle Blogger betroffen. SEO-Analyse-Tools legen jedoch nahe, dass auch die Internetpräsenzen von grossen Nachrichtenverlagen, den „Mainstream-Medien“ wenn man so will, unter einem Rückgang an Besuchern leiden.

Wahrscheinlicher ist deswegen, dass das Szenerio schneller als erwartet eingetroffen ist, vor dem ich schon anfangs Jahr warnte: Dass nämlich eine Unmenge an KI-Müll echte Inhalte verdrängt. Denn auch wenn Google viel von „Useful Content“ spricht, lässt sich kaum übersehen, dass der Internetriese kaum in der Lage ist, KI-Texte von nützlichen Inhalten zu unterscheiden.

Dies legt auch eine Studie des Technologieunternehmens Newsguard nahe, aus der The Decoder zitiert. Demnach soll eine Vielzahl von Marken ohne ihr Wissen über Googles Werbeplattform Adsense auf minderwertigen Seiten mit KI-Inhalten, die wenig oder keiner menschlichen Kontrolle unterliegen, Anzeigen geschalten haben. Darunter seien auch Webseiten gewesen, die teilweise jeden Tag mit Hilfe von Textgeneratoren über tausend Artikel von echten Verlagen automatisch umschrieben und neu publizierten.

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Der Wandel bei der Suche

Google steckt hier in einer strategisch verzwickten Lage. Um die Qualität seiner Suchergebnisse und damit den Fortbestand der Suchmaschine zu sichern, müsste das Unternehmen eigentlich einen rigorosen Kurs gegen automatisch erstellte Inhalte fahren. Das geschieht aber bestenfalls halbherzig. Wiederholt liess das Unternehmen in seinen Richtlinien für Webmaster verlauten, dass es nicht gegen synthetische Inhalte vorgeht, solange diese „nützlich“ seien.

Diese destruktive Haltung dürfte auch damit zusammenhängen, dass Google selbst nicht mehr an die Zukunft von klassischen Suchmaschinen glaubt. Gerade in diesen Tagen ist in den USA ein neues Modell ausgerollt worden, bei dem Google quasi das „Googeln“ für die Nutzer übernimmt. Statt einer Reihe von Links erhält man die Ergebnisse in wenigen Sätzen zusammengefasst, die mit ein paar Quellenlinks oder Fussnoten angereichert sind.

Aus betriebswirtschaftlicher Sicht ist das für Google ein Gewinn. Wenn sich die Nutzer auf einer geschlossenen Plattform befinden und diese im Normalfall nicht mehr verlassen müssen, ist mit höheren Werbeeinnahmen zu rechnen. Vorbild könnte hierbei Meta sein: Schon vor Jahren hat Facebook damit begonnen, Content-Links, die aus dem Meta-Universum auf externe Seiten verweisen, immer stärker abzuwerten

Für Nutzer scheint bei diesen neuen Formen der Internetsuche auf den ersten Blick ein Gewinn zu entstehen: Wenn man sich die Resultate nicht mehr mühsam auf verschiedenen Seiten zusammensuchen muss, lässt sich viel Zeit sparen. Langfristig dürfte allerdings ein gewaltiges Problem auf uns zukommen.

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Neue Suchformen befeuern die Blogokalypse

Welche Auswirkungen die Implemation von KI in die Suchmaschinen haben wird, lässt sich schwer erahnen. Der offensichtlichste Mängel ist die Qualität der Ergebnisse: Bei meinen Versuchen mit ChatGPT oder Perplexity war die Mehrheit der Antworten irreführend oder komplett falsch. Wenn ich nach mir selber suchte, wurden mir allerhand Jobs, Hobbys oder Bücher angedichtet. Mit der Weiterentwicklung der Systeme dürften allerdings die Resultate besser werden.

Das grössere Problem: KI ist nicht nachhaltig. Wenn es für Nutzer keinen Grund gibt, die Quellen zu besuchen, von denen die KI-Tools ihre Informationen bekommen, errodiert den Content-Erstellern die Grundlage ihres Geschäfts. Kommen keine Besucher mehr, fallen die Einnahmen weg. Ohne Verdienstmöglichkeiten wird es nicht mehr möglich sein, hochwertige Blogs und Informationsportale zu betreiben. Nichts weniger als der komplette Zusammenbruch der Content-Industrie droht.

Obwohl die Einbrüche noch vergleichsweise bescheidenen sind (Nachtrag: offenbar betragen die Verluste im englischsprachigen Raum etwa 70 Prozent, wie diese Studie zeigt. Das ist deutlich mehr als ich aufgrund eigener Verluste vermutet hatte…), ist die Stimmung unter meinen Blogger-Kolleginnen und Kollegen bereits jetzt mehr schlecht als recht. Viele überlegen, ihren Projekten eine geringere Priorität einzuräumen oder sie ganz aufzugeben. Auch ich bin am hirnen, was ich mit dieser Webseite machen soll. Wahrscheinlich werde ich gezwungen sein, künftig meine Inhalte käuflich anzubieten – obwohl ich das Offene beim Bloggen sehr schätze.

Google versucht zwar solche Bedenken zu zerstreuen. Die Managerin Hema Budaraju betonte kürzlich, dass sich in bisherigen Probeläufen gezeigt habe, dass User auch in den neuen KI-Überblicken auf die Links klickten. Zudem seien die Links im neuen System vielfältiger. Doch in welchem Umfang das wirklich der Fall ist, wird die Zukunft zeigen. Es ist aber kaum vorstellbar, dass es keinen weiteren Rückgang bei den Besuchern geben wird.

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Spezialfall Reiseblogs

Möglicherweise kenne ich mich ausserhalb meines „Tellerrands“ zu wenig gut aus. Trotzdem glaube ich, dass sich für Reiseblogger die Situation besonders schwer darstellt. Weil über Provisionen viel Geld bei der Reiseplanung zu holen ist, will Google selber in diesem Markt mitmischen. Vor ein paar Tagen kündete Google auf Twitter an, dass „Gemini Advanced“ künftig vollständige Reisen planen kann.

Wie dies genau aussehen wird, lässt sich derzeit noch nicht sagen. Aber die Aufregung in der Branche ist gross. Denn es ist davon auszugehen, dass die Google-KI bei der Planung auch auf Reisetipps zurückgreifen wird, die es in der Blogosphäre erlernt (oder wie Kritiker sagen: gestohlen) hat. Selbst wenn dies im anstehenden Update noch nicht der Fall ist, lässt sich keine Zukunft ausdenken, in der dies nicht geschehen wird.

Für Google entsteht daraus ein problematischer Interessenskonflikt. Als Produzent von KI-Inhalten wird die Suchmaschine in ihrer künftigen Form in direkter Konkurrenz zu den Inhalten stehen, an der sie sich frei bedient. Der bisherige implizite Deal, dass wir Blogger Google mit unserem geistigen Eigentum Geld verdienen lassen, wenn wir als Gegenleistung Clicks und Besucher bekommen, funktioniert nicht mehr. Die kollektive Abwertung von Reiseblogs in den letzten Google-Updates bekommt so ein Geschmäckle.

Es ist daher keine grosse Überraschung, dass unter der Ankündigung auf Twitter schwere Vorwürfe gegen Google erhoben werden. Ein Kommentator bringt es auf den Punkt: „Google Search is now a Digital Theft Engine.

(Nachtrag: Kurz nachdem ich den Artikel veröffentlichte, gab es ein gewaltiges Leak bei Google, das Rückschlüsse auf den Algorytmus erlaubt. Folgt man der Suchmaschinen-Expertin Nina von SheknowsSeo, gibt es offenbar für Reiseblogs einen speziellen Whitelist-Mechanismus. Auch wenn unklar ist, wie man das genau interpretieren muss, deutet doch einiges darauf hin, dass Google Reiseblogs warum auch immer gezielt abstraft.)

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Was gegen den Zerfall der Meinungsvielfalt tun?

Sich dagegen wehren ist schwierig. Kurzfristig kann man Google meiden. Da die Suchresultate aktuell so schlecht wie nie sind, fällt es leicht, sich nach Alternativen umzusehen: Bing, Startpage oder Duckduckgo geben aus meiner Sicht relavantere Inhalte aus als Google. Ich kann daher nur ermutigen, Suchmaschinenalternativen zu testen. Aber Fortschritt lässt sich nicht aufhalten und mittelfristig werden wahrscheinlich auch die Alternativen den finanziellen Verlockungen erliegen.

Deswegen sollten sich Blogger nach alternativen Vertriebskanälen für ihre Inhalte umsehen. Ich selber bewerbe meinen Whatsapp– und meinen Telegram-Kanal, über die ich auf neue Inhalte informiere. Gut vorstellen könnte ich mir auch, dass wir Blogger gemeinsam ein App erstellen, über die man sich über neue Artikel in der Blogosphäre informieren kann. Schreibt einen Kommentar, wenn ihr euch dazu mit mir austauschen wollt.

Mittelfristig werden wir als Gesellschaft aber nicht darum herumkommen, eine politische Diskussion darüber zu führen, was uns welche Inhalte wert sind und wie wir sicherstellen können, dass es diese auch in ein paar Jahren noch gibt.

Dazu gehört an aller erster Stelle die Frage, ob und in welchem Umfang KI-Betreiber für Trainingsdaten bezahlen sollten. Dies zu fordern ist tatsächlich alles andere als abwägig. Ein ähnliches System gibt es bereits mit ProLitteris bzw. VG Wort. Geräte, mit denen Urheberrechtsverletzungen begangen werden können, müssen eine Vergütung bezahlen, die den Urhebern zugute kommt, seien das Autoren, Musiker, Fotografen oder andere Künstler.

Darüber hinaus sollten wir uns auch überlegen, wie es in einer Demokratie möglich sein kann, dass ein für die öffentliche Meinungsbildung immens wichtiger Bereich wie die Bereitstellung von Suchmaschinen von einer einzigen privaten Firmen dominiert wird, die zudem zunehmend Interessenskonflikten unterliegt. Mein persönlicher Wunsch wäre hier der Aufbau einer von finanziellen Interessen unabhängigen, europäischen Suchmaschine, die ähnlich wie unser Rundfunk über Gebühren finanziert wird.

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Ein Wort zum Schluss

Ein Teil des Problems ist, dass bei der ganzen Euphorie über die teilweise beeindruckenden Fortschritte von Künstlicher Intelligenz übersehen wird, welche Konsequenzen sie für die ganze Gesellschaften haben kann und wahrscheinlich auch haben wird. Hier fehlt es noch an einer ausreichenden Sensiblisierung.

Man kann zweifellos unterschiedlicher Meinung darüber sein, welche Bedeutung kostenlose Reisetipps für das gesellschaftliche Zusammenleben haben. Man sollte sich dabei aber bewusst sein, dass alle Bereiche der Content-Industrie von diesem Wandel betroffen sind – einschliesslich der Presseorgane, die in demokratisch organisierten Ländern gemeinhin als vierte Gewalt gelten.

Aus diesem Grund möchte ich dich bitten, mir zu helfen, diesen Text weiter zu verbreiten. Wenn du ihn liest und die Botschaft, die hinter ihm steht, wichtig findest, dann teile ihn über Social Media. Betreibst du einen Blog dann verlinke ihn und/oder schreibe selber einen Beitrag zum Thema. Hinterlasse gerne einen Hinweis auf den Text in den Kommentaren, damit ich ihn hier verlinken kann).

Lesetipps

  • Mario vom Gay Reiseblog schildert seinen Seo-Frust mit Google und unterlegt den Sichtbarkeitsverlust mit sehr eindrücklichen und bedrückenden Zahlen.
  • Michel von Beersandbeans erwartet das Ende vom freien Internet, rechnet aber damit, dass es auch in Zukunft in geschlossenen Räumen Platz für authentische Reiseberichte und Blogähnliches geben wird.

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Author: Rob Wisoky

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